Viele EU-Mitgliedstaaten umgehen das Verbot von Neonicotinoiden durch sogenannte Notfallzulassungen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat diesem Schlupfloch nun einen Riegel vorgeschoben.
Obwohl ihr Einsatz inzwischen seit mehreren Jahren EU-weit verboten ist, landen bestimmte Neonicotinoide weiterhin Jahr für Jahr auf europäischen Äckern. Dabei dürfen die Insektengifte aus gutem Grund nicht mehr eingesetzt werden: Sie sind besonders gefährlich für Bienen und andere Bestäuber. Doch indem sogenannte Notfallzulassungen erteilt werden, umgehen viele Mitgliedstaaten das Verbot. Damit ist jetzt per Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Neonicotinoiden (EuGH) vom 19.1.2023 Schluss.
Der EuGH beruft sich in seinem Urteil unter anderem auf das europäische Vorsorgeprinzip und stellt klar, dass bei der Erteilung einer Pestizidzulassung die Gesundheit von Mensch und Tier sowie der Schutz der Umwelt wichtiger sind als das Ziel, die Pflanzenproduktion zu verbessern. Das Gericht betont außerdem, dass die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet sind, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Bekämpfung von Schädlingen mit geringem Pestizideinsatz zu fördern. Das bedeutet: Wo immer es möglich ist, müssen nicht-chemische Methoden genutzt werden. Bei der professionellen Anwendung sollen Praktiken und Produkte mit dem geringsten Risiko für die menschliche Gesundheit und die Umwelt genutzt werden.
Die in vielen EU-Staaten erteilten Notfallzulassungen für Neonicotiniode gelten in erster Linie für den Einsatz als Beize für Saatgut. Dabei wird das Saatgut mit dem Insektengift ummantelt und beim Keimen von der Pflanze aufgenommen. Da Neonicotinoide systemisch wirken, wird das Gift in der ganzen Pflanze verteilt – von der Wurzel bis in den Nektar und Pollen. Im Guttationswasser, das die Pflanzen über die Blätter ausscheiden, sind die Gifte auch mehr als 200 Tage nach der Aussaat noch in hohen Konzentrationen nachweisbar. Die Insekten nehmen diese Tröpfchen auf und können durch die darin enthaltenen Gifte geschädigt werden. Ein weiteres gravierendes Problem ist, dass die zur Beize genutzten Neonicotinoide im Boden verbleiben und auch von blühenden Unkräutern im Zuckerrübenbestand und von Nachfolgekulturen aufgenommen werden können.
Notfallzulassungen erteilt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), „wenn eine Gefahr anders nicht abzuwehren ist“. Die Genehmigung erfolgt in diesem Fall ohne Bewertung der Umweltgefahren durch das Umweltbundesamt. Eine Notfallzulassung ist eigentlich auf 120 Tage begrenzt. Es kommt allerdings immer wieder vor, dass solche Genehmigungen für ein Pestizid jedes Jahr aufs Neue erteilt werden. Notfallzulassungen können von Verbänden, Behörden, Firmen und Pestizid-Herstellern beantragt werden.
Quelle: Umweltinstitut München e.V.